Gemeinwohl-Ökonomie - Berührungsgruppe Finanzpartner

 

 

 

Vor Kurzem habe ich an einem Webinar zum Thema Gemeinwohl-Ökonomie teilgenommen. In dem Webinar wurde auch gesagt, dass sich gerade Existenzgründer an den dort festgehaltenden Grundsätzen orientieren sollten um später ein Zertifikat zu erhalten, welches ihnen dann eine ethisch, nachhaltige Unternehmenskultur bescheinigt.

 

Als Unternehmensberaterin, die sich auf die Beratung von Einzelunternehmen von der Existenzgründung an spezialisiert hat, stellten sich mir dazu einige Fragen. Diese betrafen sowohl den Punkt der finanziellen Ausstattung des Unternehmens wie auch die Auswahl der Vertragspartner bzw. Kunden.

 

Ich hatte meine Ansicht darüber an denjenigen gemailt der als Experte zu diesem Thema bei diesem Webinar sprach - er hatte auch ausdrücklich dazu aufgefordert - aber leider erhielt ich keine Antwort.

 

In diesem Beitrag möchte ich mich nur mit dem Punkt der finanziellen Ausstattung von Unternehmen beschäftigen. Zur Auswahl der Vertragspartner bzw. Kunden werde ich in einem späteren Beitrag näher eingehen.

 

Aber zunächst; was ist Gemeinwohl-Ökonomie? Lt. Wikipedia gibt es dazu folgende Darstellung:

 

"Als Gemeinwohl-Ökonomie werden seit den 1990er Jahren verschiedene Konzepte und Wirtschaftsmodelle bezeichnet, die eine Orientierung der Wirtschaft am Gemeinwohl, Kooperation und Gemeinwesen in den Vordergrund stellen. Auch Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung werden als Werte der Gemeinwohl-Ökonomie bezeichnet."

 

Den Beitrag den ein Unternehmen zum Gemeinwohl leistet kannst du in einer Gemeinwohlbilanz ablesen. Grundlage für diese ist die Gemeinwohlmatrix. In dieser Gemeinwohlmatrix findest du u. a. auch die Berührungsgruppe "Eigentümer/Finanzpartner". Dazu heißt es im Arbeitsbuch zur Vollbilanz "... Finanzethik versteht Geld nur als Mittel des Zahlungsverkehrs und die Vermehrung von Geld nicht als Endzweck." Weiterhin wird gesagt, dass ein GWÖ Unternehmen sich bemüht, um ein ständiges Erhöhen des Eigenkapitalanteils und das Ergänzen der Eigenmittel durch Mittel von Partnern erfolgt, die ebenso an der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung des Unternehmes interessiert sind.

 

Nun da die wenigsten Unternehmen vollständig durch Eigenkapital finanziert sind kommt automatisch die Frage auf, wie gestaltet sich bei diesem Anspruch die Fremdkapitalbeschaffung. Auch dazu hat das Arbeitsbuch eine Antwort und diese sieht wie folgt aus: " Ergänzendes Fremdkapital sollte in erster Linie durch Formen solidarischer Finanzierung, z. B. Nachrangdarlehen von Kunden oder vom am Projekt Interssierten durch Crowdfunding aufgebracht werden, da hier übereinstimmendes Interesse besteht. Erst danach sollen Kredite bei Ethikbanken in Betracht gezogen werden. Im Falle notwendiger Geschäftsbankkredite sind die Konditionen auf enthaltene zusätzliche Risiken zu prüfen." Da im Nachhinein auf die ethische Haltung externer Finanzpartner eingegangen wird, gehe ich davon aus, dass dies ein wesentliches Kriterium für die angesprochene Risikoeinschätzung ist - natürlich neben der Einflussnahme auf das Geschäftsmodell.

 

Kommen wir zurück zur Realität. An erster Stelle wird hier auf die Ausstattung mit Eigenkapital eingegangen, welche sehr hoch sein sollte. Nun ja, dies ist bei Existenzgründern i. d. R. dünn gesäht. Entweder die Kapitaldecke ist sehr schmal oder sie existiert schlichtweg nicht. Wenn der Existenzgründer Glück hat ist er in den Genuss eines Gründungszuschusses gekommen oder des Einstiegsgeldes und hat somit wenigstens Entlastung im Hinblick auf seinen Unternehmerlohn.

 

Interessant an der Stelle ist, dass im Leitfaden für Kleinstunternehmen zum Thema "Ethische Haltung im Umgang mit Geldmitteln" folgendes steht: "In den meisten Fällen haben Kleinstunternehmen eine relativ hohe Eigenkapitalausstattung, aber geringes Anlagevermögen. Die Bewertung bei diesem Thema wird daher gut ausfallen, die Gewichtung durch den Bilanzrechner aber auf gering gesetzt, weil das Thema auch nur wenig Relevanz aufweist."

 

Stellt sich für mich die Frage, warum gibt es den Gründungszuschuss, das Einstiegsgeld, Microkredite, Startgelder u. a. Finanzierungsmittel des Bundes und der Länder gerade für Kleinstunternehmer die sich gründen, wenn die Eigenkapitalausstattung doch so hoch sein soll bei diesen? Und warum wird von geringen Anlagevermögen gesprochen? Ein Handwerksbetrieb hat, auf sein Unternehmen gesehen ein großes Anlagevermögen; genauso andere Gewerbetreibende. Bei Freiberuflern ist es nicht das Anlagevermögen, wohl aber die Zeit in der sie in Vorleistung gehen bevor ihre Leistung bezahlt wird, hier muss dieser Leistungszeitraum zwischenfinanziert werden.

 

Gehen wir zum Fremdkapital. Im Zusammenhang mit der Aufnahme von Fremdkapital wird auf die solidarische Finanzierung verwiesen, "Nachrangdarlehen von Kunden", "Crowdfunding" und an zweiter Stelle Ethikbanken. 

 

Nachrangdarlehen von Kunden - scheitert bei Existenzgründern schon daran, dass es noch keine Kunden gibt. Crowdfunding - dies wurde bereits im Arbeitsbuch erwähnt - bezieht sich auf Projekte. Und auch wenn du die Unternehmensgründung als Projekt definierst, generell werden durch diese Finanzierungsform nur soziale Unternehmenszwecke unterstützt oder solche aus dem kreativen, künstlerischen oder visionären Bereich. Für eine Unternehmensgründung in "herkömmlichen Branchen" ist dies also keine Alternative um Fremdkapital zu generieren. Könnte man denken, nun ja, schwenke ich um auf Crowdinvsting, doch hier gibt es eine Renditeerwartung die erfüllt werden muss. Manche Formen des Crowdinvesting gestalten sich als stille Beteiligung doch es gibt auch andere die direkt Einfluss auf das Unternehmen nehmen. Diese Form der Finanzierung wird von der Gemeinwohl-Ökonomie abgelehnt.

 

Also blieben noch die Ethikbanken. Ich habe alle angerufen und alle sagten, dass sie keine Kredite an Existenzgründer vergeben. Krediten werden erst an Unternehmen vergeben nach einer Gründungsphase von zwei Jahren. Ethikbanken scheiden also aus. Blieben noch Geschäftsbanken mit ethischem Anspruch. Hier wäre die Sparda-Bank zu nennen, welche über eine Gemeinwohlbilanz verfügt. Diese bietet Kredite für Existenzgründer an ist aber keine Geschäftsbank. So dass, man für sein Unternehmen noch eine andere Bank benötigt um sein Geschäftskonto führen zu können. OK, ein wenig umständlich aber zu händeln.

 

Aus meiner Sicht besteht hier ein Widerspruch. Zwischem dem was die Gemeinwohl-Ökonomie offiziell anstrebt; Gemeinwohl, Kooperation, Solidarität und was in der Realität vorzufinden ist. Eigentlich hatte ich in dem Webinar den Eindruck, dass die Community der Anhänger dieses Wirtschaftskonzeptes bestrebt sind gerade Existenzgründer dabei zu unterstützen diesen Weg zu gehen. Doch leider gibt es bei einem so entscheidenen Punkt wie die Kapitalausstattung eines Unternehmens gerade in der Existenzgründung, bis auf eine Ausnahme, keine Unterstützung. Liegt vielleicht auch an der Einschätzung des Bedarfs an Kapital von Kleinstunternehmen durch die Gemeinwohl-Ökonomie.

 

Welche Konsequenzen hat dies für einen Existenzgründer, der eigentlich diesen Weg gehen wollte. Um Kapital zu erhalten, muss er mit einem anderen Unternehmenskonzept beginnen als er eigentlich wollte. Da Geschäftsbanken, noch immer in Schubladen denken und Geschäftsmodelle die nicht in diese Schubladen passen verwerfen; ist davon auszugehen, dass die eigentliche Idee dort nicht auf fruchtbaren Boden fallen wird. Und wenn du darüber hinaus auch daran denkst, dass die Geschäftsbanken auch diejenigen sind welche die Kreditanträge für die Vergabe von subventionierten Geldmitteln des Landes oder des Bundes prüfen, weißt du auch das du auch dort keine Chance haben wirst.

 

Es wird also viel Zeit, Energie und Geld verschwendet um dann ein gegründetes Unternehmen in seine eigentliche Bahnen zu leiten. Und das hat für mich nichts mit Solidarität, Nachhaltigkeit und Kooperation zu tun. Es ist genau das Gegenteil.

 

Hier muss die Community noch ihre Hausaufgaben machen um ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.

 

Mich würde interessieren wie du darüber denkst.

 

 

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